7. Tag, 20.09.23, Kapadokien
Die Kirche wurde 1910 von französischen Katholiken am Ort eines vormaligen Christenviertels errichtet. Es waren auch lange Zeit Ordensfrauen an diesem Ort präsent. Konya ist eine der muslimisten Städte der Türkei und spätestens seit dem Bevölkerungsaustausch gibt es fast keine Christen mehr in der Stadt, die wenigen, die da sind, beten aber oft gemeinsam, da St. Paulus auch die einzige Kirche der Stadt ist. Die Gemeinde zählt etwa 40 Personen, Türken, Europäer und oft auch Flüchtlinge aus dem nahen Osten, die meist lange bleiben. Die Sprache der Gemeinde ist dabei türkisch, ein Priester kommt etwa ein Mal im Monat aus Ankara oder Izmir. Die St. Paulus Kirche ist eine offiziell anerkannte Kirche, kein Museum, sodass für Gottesdienste keine Erlaubnis eingeholt werden muss. Die Kirche ist auch von Abgaben befreit und erfährt viel andere unentgeltliche Hilfe von staatlicher Seite. Die Stadt Konya ist stolz auf die Kirche und unterstützt sie gerne, wird klar gesagt.
Die gottgeweihte Jungfrau kommt aus Italien und ist seit inzwischen 22 Jahren in der Türkei. Sie sagt, viele hätten sie vor der Türkei und vor allem vor Konya gewarnt und sie habe auch schon vieles unschöne erlebt. Sie fühlt sich aber wohl und respektiert in Konya, was aber immer auf Gegenseitigkeit beruht. Es ist ihr sehr wichtig, Präsenz zu zeigen und im Dialog zu bleiben, da viele in Konya Christen gar nicht kennen. Solidarität gilt ihr dabei als erster Schritt im Dialog. Trotzdem ist die Türkei unbeliebt als Arbeitsort für Orden und Priester, die lieber an prestigeträchtigeren Orten arbeiten. Es ist ihr aber besonders wichtig, in der Türkei zu arbeiten: als Italienerin musste sie erst umdenken, als sie das reiche christliche Erbe Kleinasiens kennengelernt und bemerkt hat, dass Paulus erst von hier das Christentum nach Rom gebracht hat. Sie sagt, das Land sei heilig und die Mutter Europas im Glauben, deshalb ist es wichtig als Christen hier präsent zu sein und das reiche Erbe zu bewahren und zu pflegen und vor allem nicht nur in die Vergangenheit zu schauen, sondern im hier und heute im Leben der Menschen für sie da zu sein und ihnen eine Begegnung mit Christus zu ermöglichen. Das sieht sie als ihre Aufgabe.
Nach diesem inspirierenden Treffen führt uns unser Weg in einem Bus mit zum Glück reparierter Klimaanlage weiter gen Osten ins Landesinnere Richtung Kappadokien. Dabei passieren wir die endlos wirkenden flachen Ebenen Anatoliens und erhalten von unserem Reiseführer gelegentliche Informationen über Vergangenheit und Gegenwart dieser Gegend.
Besonders erwähnenswert ist die große Theaterkultur, die dieses Land bereits in der Antike beseelte und sich mit Passionsspielen weit ins Mittelalter fortgesetzt hat. Weiter geht es auch mit vielem Interessanten über die Türkei und ihre Bevölkerung. Zum Beispiel haben die Türken in den Lasen an der Schwarzmeerküste ein Pendant zu dem, was den Deutschen die Ostfriesen sind. Es wird auch deutlich, dass der Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der Türkei 1921 ein bleibendes Thema und Trauma ist, das oft zur Sprache kommt.
Ansonsten ist die Fahrt wie gestern geprägt von ausgelassenem Spiel und Spaß, Unterhaltung und Diskussionen und dem einen und anderen Nickerchen im Bus.
Kurz vor der Ankunft in Kappadokien zur Mittagszeit gibt es wiederum einen informativen Vortrag zur Geschichte des Landstrichs. Der Name der Gegend kommt aus dem persischen und bedeutet Land der schönen Pferde. Das Land war bereits zu assyrischer Zeit wirtschaftlich wichtig und in hellenistischer Zeit ein eigenes Königreich. Ein Besuch des Apostels Paulus ist nicht nachgewiesen, aber wahrscheinlich. Kappadokien besitzt mehrere frühchristliche Märtyrer, besonderes den heiligen Georg, und antike Kirchenlehrer, allen voran die drei großen Kappadokier Gregor von Nyssa, Gregor von Nazianz und Basilius der Große. Im laufe der Jahrtausende wechselte Kappadokien oft seinen Besitzer zwischen Seldschuken, Mongolen und Osmanen.
Zwei Impressionen von unterwegs
Am Ziel in Ihlara im äußersten Süden Kappadokiens angekommen machen wir eine kleine Wanderung in der großen Schlucht Belisirma Vadisi, die oft als Grand Canyon der Türkei bezeichnet wird. Bevor es mit der Wanderung losgeht, ist aber erstmal Mittagspause in dem Restaurant am Eingang zu der Schlucht mit einem wunderbaren Ausblick auf den Beginn der Schlucht.
Die Schlucht selbst ist eine wunderschöne Kulisse für die in den Stein geschlagenen Kirchen, drei davon haben wir besichtigt, eine davon sogar mit einer kleinen Klosteranlage. Die Kirchen sind in bunten Farben ausgemalt und stammen größtenteils aus der Mitte des 11. Jahrhunderts.
Für die schönen Eindrücke aus der Schlucht sollen aber die Bilder sprechen.
Häuschen besteht.
Nach dieser sehr erfrischenden Wanderung im oft schattigen und kühlen Tal mit spannenden Einblicken in Natur und Geschichte geht es weiter nach Derinkuyu unter die Erde. Auf dieser Wegstrecke gewinnen wir erste Eindrücke davon, welche landschaftlichen Besonderheiten Kapadokien für uns bereithält.
Die Stadt Derinkuyu ist bis zu acht Stockwerke unter die Erde gebaut und nur eine von 150 bisher entdecken unterirdischen Städten. Erstmals erwähnt werden solche Gebäude als Lagerstätten bereits bei Xenophon in der klassischen Antike. Bewohnt sind diese Städte aber erst in byzantinischer Zeit als Zuflucht vor Angriffen. Heutzutage wird geschätzt, dass es möglich war, einen Monat ohne Kontakt zur Außenwelt in Derinkuyu zu leben. Entsprechend gibt es ausreichend öffentliche Gebäude, Lagerräume und vor allem eine funktionierende Luftversorgung. Wenn man aber die engen, niederen Gänge sieht, scheint es schwer vorstellbar und zumindest keinesfalls komfortabel, hier länger zu wohnen, auch wenn die Gänge zu relativ großen Räumen führen. Interessanterweise hat der Tuffstein, der hier vorkommt, die Eigenschaft erst beim Kontakt mit der Luft komplett auszuhärten, sodass er leicht zu bearbeiten und später trotzdem sehr hart ist.
Schönen Abend und guten Morgen.
Euer Blogger-Team
Mit großer Freude lese ich jeden Tag diesen interessanten Blog. Mit vielen Informationen, traumhaften Bildern und auch persönlichen Bemerkungen. Ich habe fast das Gefühl persönlich dabei zu sein.
AntwortenLöschenEs benötigt sicher viel Disziplin nach einem anstrengenden Tag noch einen Blog zu verfassen, dessen Texte nicht nur sehr lesenswert und spannend, sondern manchmal auch recht witzig sind.
Vielen Dank an das ganze Team und ich freue mich schon auf den nächsten Blog.
Brigitte