14. Tag, 27.9.23 St. Georgs Kolleg, Galathaturm u.v.m.
Nach dem gewohnten reichlichen Frühstück und der wie immer abenteuerlichen, aber glücklich verlaufenen Busfahrt durch die Istanbuler Altstadt, führte uns unser Weg heute über das goldene Horn. Dort sind wir zuerst auf einen Berg zum Krankenhaus St. Georg, das von barmherzigen Schwestern geführt wird, gegangen und direkt wieder abgestiegen, um das österreichische Kolleg St. Georg zu erreichen, wo uns in der Kollegskirche der Direktor mit dem Schulrektor begrüßt und unsere Fragen beantwortet hat. Dieser Besuch passt besonders gut zum heutigen Gedenktag des heiligen Vinzenz von Paul, der die bis heute hier tätigen Lazaristen gegründet hat.
Das Ergebnis des Gesprächs mit dem Schuldirektor kurz zusammengefasst:
Die Kirche wurde 1826 als Teil einer Schule für deutschsprachige Kinder gegründet, war aber auch früh beliebt bei anderen Einwohnern Istanbuls, vor allem aus Minderheiten. Inzwischen besuchen überwiegend türkische Kinder die Schule. Insgesamt werden 523 Schüler auf deutsch an der Schule unterrichtet, der Abschluss ist auch die österreichische Matura. Nach dem ersten Weltkrieg wurde die Schule geschlossen, aber nach der Gründung der Türkei wiedereröffnet. Eine besondere Herausforderung ist es, ausreichend österreichische Lehrer zu finden. Die Lehrer bleiben bis zu acht Jahre in Istanbul. Rein rechtlich ist die Schule nicht katholisch, sondern hat lediglich einen katholischen Träger. Sie hat seit den 50ern als einzige Schule die Erlaubnis, christliche Religion für Christen zu unterrichten, ansonsten sind Schule und Religion streng getrennt. Die Schüler dürfen deshalb während der Schulzeit nicht in die Kirche. Es ist aber jeder frei, seine Religion zu wählen. Finanziert wird die Schule durch Schulgeld. Es ist merklich und wichtig, dass viele Schüler hier eine doppelte Identität entwickeln und als Verbindung zwischen den Völkern tätig werden und positive Akzente zur Völkerverständigung fungieren können. Am Kolleg ist auch eine kleine diverse katholische Gemeinde ansässig. Die Ökumene wird gelebt, aber bei aller praktischen Zusammenarbeit gibt es auch immer wieder Reibung zwischen den Konfessionen. Am Ort des Kollegs gab es bereits zu byzantinischer Zeit eine Kirche.
Nach diesem sehr spannenden und informativen Gespräch hatten wir die Gelegenheit, die Dachterrasse des Kollegs mit einem traumhaften Blick über das goldene Horn auf die Altstadt Istanbuls zu besuchen oder zumindest die spannende Erfahrung zu machen, in einem Aufzug stecken zu bleiben. Es konnten aber alle Betroffenen nach ein paar Minuten wieder befreit werden.
Zum Abschluss des Besuches führt uns der Kirchenrektor zu der benachbarten Dominikanerkirche. Es ist eine in der heutigen Gestalt 1834 erbaute Kirche der Levantine, europäischer Katholiken in Istanbul. Heute wird die Kirche von einer kleinen italienischen Gemeinde genutzt. Ein besonderer Schatz ist die versilberte Marienikone „die Wegweiserin“ aus dem 16. Jahrhundert, die wohl weiter aus dem Osten stammt.
Bis heute sind drei Dominikaner an dieser Kirche. Sie versuchen über ihre Aufgaben in der Pfarrei hinaus, sich vor allem kulturell und wissenschaftlich zu betätigen und im Dialog mit dem Islam zu sein. Dominikaner sind seit dem frühen 14. Jahrhundert in Istanbul präsent.
Vorbei am Galata Turm gelangen wir zur größten Synagoge Istanbuls, an der überraschenderweise tatsächlich jeder seinen Reisepass dabei hat. Nach einer strengen Sicherheitskontrolle gelangen wir in den wunderbaren hellen 1915 errichteten Bau und erhalten eine informative, umfassende Führung durch den Gemeindevorstand.
Die Sicherheitskontrolle ist traurigerweise sehr notwendig, da es bereits zwei Abschläge auf die Synagoge gegeben hat. Sie wird umfassend von einer jüdischen Gemeinde genutzt. Die jüdische Gemeinde ist an diesem Ort bereits seit byzantinischer Zeit angesiedelt. Durch die osmanische Eroberung in Kleinasien hat ein größerer Zuzug an Juden eingesetzt. Inzwischen ist die Gemeinde stark geschrumpft, es gibt in Istanbul nur noch etwa 12 000 Juden. Zwar war die Gemeinde nicht vom Holokaust betroffen, es gab aber andere Probleme und viele sind in den vergangenen Jahrzehnten nach Israel ausgewandert. Die Gemeinde ist heute noch sehr betroffen von Auswanderung gerade jüngerer Gemeindemitglieder, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Glück in Europa, Amerika oder Israel suchen. Die Gemeinde achtet auf ihre guten Beziehungen zu muslimischen und christlichen Gemeinden und es gibt gelegentlich auch gemeinsame Veranstaltungen. Das Verhältnis zur Regierung und die Sicherheitslage sind relativ gut, trotz politischer Probleme zwischen Israel und der Türkei. Irritierend sind die Bauhelme unter den Sitzen, es wird aber versichert, dass diese zum Schutz vor Erdbeben sind.
Nach dem Besuch des recht umfangreichen und mit schönen Ausstellungsstücken ausgestatteten Museums für jüdisches Leben, gibt es eine Mittagspause, in der einzelne Mitglieder der Gruppe, den Galataturm besteigen, statt ein Mittagessen zu nehmen.
Das macht weniger Mühe, als gedacht, da es mit einem Fahrstuhl möglich ist. Der Abstieg erfolgt zwar ohne technische Hilfsmittel, aber dafür im Überschwall eines traumhaften Ausblicks auf den Bosporus und das goldene Horn mit der dahinter befindlichen Altstadt. Es hat sich jedenfalls gelohnt. Danach geht es mit dem Bus wiederum weiter zum Dolmapace Palast am Bosporus, der unter Sultan Abdul Medschid als neue, moderne Palastanlage im 19. Jahrhundert errichtet wurde und mit seinen enormen Kosten zum Untergang des osmanischen Reiches beigetragen hat. Leider war nur eine Stunde Zeit, um rasch durch die vielen beeindruckend prunkvollen Räume und Gänge des riesigen Palastes zu gehen.
Der Termin, der uns diesen knappen Zeitrahmen beschert hat, ist ein Treffen mit dem syrisch-orthodoxen Erzbischof, das wir trotz des dichten Verkehrs und unklarer Lage fast pünktlich mit unserem Bus erreichen. Dort erhalten wir zuerst eine kleine Führung durch die Kirche, die 1960 am Ort, an dem seit 1848 eine syrisch-orthodoxe Kirche steht, errichtet wurde.
Danach wurden wir vom syrisch-orthodoxen Erzbischof empfangen und mit Gebäck, Tee und Kaffee gut verköstigt hat. Das Gespräch hat vor allem von der Lage des Erzbistums in der Türkei und der umfassenden Jugendarbeit, die dem Erzbischof schon immer ein wichtiges und zentrales Anliegen ist, gehandelt. Darüberhinaus wurde besonders auf die interkonfessionelle Zusammenarbeit eingegangen, die nicht nur wichtig mit Bezug auf Kirchennutzung war und ist, sondern dem Erzbischof auch ein wahres persönliches Herzensanliegen. Zuletzt hat dieser ein entschiedenes Zeugnis über die Wichtigkeit und Wirkmacht des gläubigen Gebetes abgegeben.
Danach geht es im Bus zurück zum Hotel zu etwas Freizeit, bevor das Abendessen in einem Kebaphaus auf dem Plan steht. Gegessen wird an langer Tafel auf der Dachterasse mit wunderbarem Blick auf das Marmarameer. So gelungen endet der heutige Tag.
Gute Nacht. Euer Bloggerteam
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